Als Leo Demidow ins Zimmer seiner beiden Adoptivkinder kommt, tut Soja so, als würde sie schlafen. Aber der ehemalige KGB-Polizist hat genug Erfahrung mit Gefangenen, um zu erkennen, dass Soja hellwach ist und auf jede seiner Bewegungen mit Anspannung lauscht. Kurz zuvor hatte sie, wie schon so viele Nächte vorher, ein Messer an seine Halsschlagader gehalten. Aber dann war sie durch einen Anruf aufgeschreckt und davon abgehalten worden, ihre Tat vielleicht zumindest dieses Mal durchzuführen.
Der nächtliche Anruf ist für Leo Demidow mehr als unangenehm. Er kommt von einem betrunkenen Kollegen, der sich schuldig fühlt. Er hat eine Schuld auf sich geladen, an der auch Demidow seinen Anteil hat. Das ganze Lügengebäude einer heilen Familie scheint endgültig zusammenzubrechen. Dann wird auch noch Soja entführt und der Ex-KGB’ler und jetzige Leiter eines von der Sowjet-Regierung verschwiegenen Morddezernats auf perfide Art und Weise erpresst. Wenn ihm das Leben seiner Adoptivtochter lieb ist, so fordern die Entführer, solle er sich ins Gulag an den Rand Sibiriens einschleusen lassen und dort einen Priester befreien, für dessen Internierung vor sieben Jahren er selbst verantwortlich zeichnet. Demidow lässt sich auf den Handel ein – und wird im Strafgefangenenlager prompt enttarnt. Von diesem Zeitpunkt an scheint seine Ermordung nur noch eine Frage der Zeit zu sein…
Der Roman spielt in der Post-Stalin-Ära und arbeitet recht gut das totalitäre System heraus. Gespickt um die langsame Aufweichung des Regimes und der damit verbundenen Gegenwehr. Ein interessanter Roman, der auch die Gegenseite beleuchtet. Die Geschichte an sich ist tragisch und unvorstellbar – wenn man ein derartiges Regime nicht kennt. Der Erzählfluss ist ein guter, die Charaktere sind klar definiert und nicht bloß kurz umschrieben. Der letzte Teil mutet dem Leser dann allerdings etwas zu viel zu, wird denn auch die Ungarische Revolution 1956 ins Spiel gebracht. Die Geschichte verliert dabei an Spannung und wird unnötig in die Länge gezogen. Schade eigentlich, weniger wäre hier durchaus mehr gewesen.
Bewertung: 3/5
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