Corona hat gerade bezüglich Homeoffice sehr viel bewegt. Umso überraschender ist es, dass zahlreiche Unternehmen trotz guter Erfahrungen zurückrudern und Homeoffice wieder einschränken. Womit hat das zu tun und warum dies aus meiner Sicht ein Fehler ist, möchte ich in diesem Beitrag vermitteln. Hierbei spreche ich hautpsächlich für den Bereich der Softwareentwicklung, da ich selbst darin tätig bin und ihn daher gut beurteilen kann.
Niedrigere Produktivität im Homeoffice?
Ein häufiger Diskussionspunkt die die Mitarbeiter-Produktivität. Diese sei im Homeoffice nämlich weit geringer und man könne sie nicht überprüfen.
Provokant stelle ich die Frage: Kann man die Produktivität denn im Büro überprüfen? Wer garantiert, dass eine angestrengt auf den Monitor blickende Person tatsächlich produktiv ist, sprich arbeitet? Ganz zu schweigen davon, dass sie zur richtigen Zeit die richtige Arbeit tut? Ich sage hier ganz klar: Nein, das kann niemand wirklich beurteilen. Es macht hier also keinen Unterschied, wo die Person ihren Arbeitsplatz hat.
Vielmehr konnte ich im beruflichen Alltag beobachten, dass Mitarbeiter*innen die Stunden des Tages nutzen, in denen sie besonders motiviert sind.
Geringere Arbeitszeit im Homeoffice?
Arbeiten Mitarbeiter*innen im Homeoffice weniger? Wenn man alteingesessenen Arbeitgeber*innen Glauben schenken mag, dann trifft das häufig zu. Aber ist das wirklich so?
Vielleicht wird es die eine oder andere Person geben, die Homeoffice vielleicht etwas zu flexibel gestaltet, in der Regel funktioniert es aber sehr gut und viele nutzen ruhigere Zeiten, um unbehelligt durch Meetings, Arbeit zu erledigen. Dazu werden natürlich gerne Randzeiten genutzt und die Mittagszeit wird gerne etwas verlängert. Aus eigener Erfahrung tut es sehr gut, in Ruhe das Mittagessen einnehmen zu können und dann einen kleinen Sparziergang in der Natur zu unternehmen. Bewegung baut Stress ab und regt das Gehirn an. Beides ist sehr vorteilhaft hinsichtlich der Produktivität.
Was sich also meiner Meinung nach verändert, ist die Verteilung der Arbeitszeit und die Intensität der Arbeit, zumal durchaus die Zeiten besser genutzt werden, in denen man selbst besonders motiviert und produktiv ist. Die Gesamtarbeitszeit geht tendentiell nach oben, da Zeiten, die früher für die Anfahrt genutzt wurden, schon für die Arbeit herangezogen werden.
Einer der positivsten Aspekte ist definitiv die Arbeit zu den persönlich produktivsten Zeiten. Gerade in diesen Zeiten kann viel mehr durchgebracht werden, als dies üblicherweise im Büro (durch Ablenkungen) möglich ist.
Vertrauen ist wichtig
Damit ein Homeoffice funktionieren kann, muss ein grundlegendes Vertrauen in die Mitarbeiter*innen vorhanden sein. Themen wie Produktivität, Arbeitszeiten etc. dürfen nicht ständig in Frage gestellt werden. Eine Unterstellung, es würde ja dann weniger geleistet, untergraben das Vertrauen und können die Beziehung nachhaltig schädigen.
Ein zusätzlicher Gedanke sei mir an dieser Stelle erwähnt: Die Einstellung von neuen Mitarbeiter*innen setzt Vertrauen voraus. Ohne dieses Vertrauen würde man niemanden einstellen, gewschweige denn, dauerhaft im Unternehmen arbeiten lassen. Der Arbeitsort sollte dieses Vertrauen nicht schmälern. Niemals.
Ist das Vertrauen nicht vorhanden, dann steht eine Trennung im Raum. Der Arbeitsort ist dabei allerdings unerheblich, denn das Vertrauen fehlt dann auch, wenn die Arbeitsleistung in den Firmenbüros erbracht wird.
Ersparnisse/Vorteile
Ersparnisse und Vorteile sind auf beiden Seiten zu finden. Auf Seiten des Unternehmens ist die geringere notwendige Bürofläche zu erwähnen, das kann je nach Unternehmensgröße durchaus anständige Summen ausmachen.
Auf Seiten der Arbeitnehmer*innen ergeben sich natürlich auch einige Vorteile. Als erstes ist die Zeitersparnis zu nennen. Eine halbe Stunde pro Arbeitsweg ist schnell notwendig, um ins Büro zu kommen. Das ergibt eine Stunde Ersparnis pro Tag. In dieser Zeit kann man beispielweise laufen gehen und sich anschließend frisch machen, ohne eine Auswirkung auf den restlichen Tag zu haben.
Durch den fehlenden Arbeitsweg vermindert sich die Unfallgefahr. Das kommt natürlich auch dem Arbeitgeber zugute.
Wie schon oben erwähnt, kann man sich (je nach Unternehmen) die Arbeitszeit besser einteilen und Zeiten nutzen, in denen man seine produktive Zeit hat. Das kommt der Qualität der Arbeit sehr zugute (Unternehmen!) und natürlich ergibt das einige neue Freiheiten für Mitarbeiter*innen. Wer im Büro ist, muss diese schlechteren Zeiten auch im Büro verbringen und leistet dann natürlich auch entsprechend weniger.
Die bessere zeitliche Flexibilität eignet sich besonders gut für Mitarbeiter*innen mit Kindern, oder aber auch, wenn Handwerker-Termine anstehen.
Schlechtere Kommunikation und fehlendes soziales Umfeld?
Gerade alteingesessene Unternehmen argumentieren mit dem notwendigen sozialen Kontakt und der Unvereinbarkeit mit Homeoffice.
Grundsätzlich müssen ordentliche Kommunikationskanäle vorhanden sein und auch eine entsprechende Kultur inkl. Unterstützung durch Software muss existieren. Damit ist eine funktionierende Kommunikation möglich. An welchem Ort sie stattfindet, ist dazu irrelevant.
Je besser man sich allerdings persönlich kennt, umso einfacher ist es mit der Kommunikation. Gemeinsame Aktivitäten oder Arbeitszeiten helfen dies wesentlich zu verbessern. Aus diesem Grund bevorzuge ich persönlich ein hybrides Arbeiten. Ist das Team selbst gut eingespielt und die Kommunikation funktioniert gut, kann auch die Integration einer Arbeitskraft mit 100% Homeoffice gut funktionieren. Bestehen aber schon vorher Kommunikationsschwächen, sollten diese unbedingt vorher ausgeräumt werden.
Fazit
Meinen Beobachtungen und Erfahrungen entsprechend bietet Homeoffice sehr viele Vorteile für alle Beteiligten. Die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Homeoffice (Ruhe, Arbeitsplatz, Ausstattung) müssen natürlich gegeben sein. Zudem kann man von der Zeitersparnis unheimlich profitieren. Zudem vermindert sich die Unfallgefahr, es ist besser für die Umwelt und man hat als Unternehmen Zugriff auf Mitarbeiter*innen, die vorher keine Zielgruppe waren. Ich empfehle daher, alle Vorbehalte und Ängste über Board zu werfen und stärker auf diesen Zug aufzuspringen, auch wenn es für alteingesessene Unternehmen eine Umstellung und Herausforderung darstellt.