Ich fühle mich geehrt, heute einen Gastbeitrag eines hoch geschätzten Community-Kollegens hosten zu dürfen. Er ist allerorts bekannt und ein interessanter und beliebter Gesprächspartner: Peter Nowak. In diesem Beitrag wird das Thema “Der Mensch als Gewohnheitstier” und wie aktiv unterstützt werden kann, anhand eines Praxisbeispiels, behandelt.

Meine Historie liegt in der Entwicklung von Anwendungen. Damals habe ich schon nicht verstanden, wieso man so viel Überzeugungsarbeit benötigt, andere Personen von seinen Ideen zu überzeugen. Schlimmer noch – die Wahrheit war direkt vor Ihnen, aber die Kunden konnten es nicht sehen. Mit meinem Wechsel in den Bereich der Beratung waren es nun Systeme, die ich den Kunden anbot. Aber auch hier wieder das gleiche Problem: Während die Wahrheit vor Ihnen lag, konnten Sie es nicht sehen.

Ich habe mittlerweile gelernt, wieso es so ist: Man hat einerseits verlernt zu Lernen und dann war das noch das Problem mit dem Vertrauen. Dazu aber später mehr.

Das Problem

Durch meinen Werdegang habe ich gelernt, dass das Thema Vertrauen und Lernen weitaus wichtiger sind, als die Technik, die ich damals gelernt habe. Es ist schon sehr wertvoll für mich, mich neuen Situationen und Herausforderungen anpassen zu können – eine Eigenschaft, die Viele im Verlauf der Zeit verlieren.

Aus diesem Grund finde ich es faszinierend, dass Probleme aus dem Business auch in ganz alltäglichen Bereichen auftauchen: Dem Vorgang des Einkaufens.

Mein favorisierter Supermarkt hat letztes Jahr ein Future Store Konzept bei den Kassen umgesetzt. Während Selbstbedienungskassen bereits ein alter Hut sind, so hat man insbesondere den Prozess des Bezahlens an der Kasse optimiert.

Ist-Zustand

Bisher ist es so, dass man mit seinem Einkaufswagen zum Förderband vorfährt, dort die Waren auflegt, mit dem Wagen zur Kasse vorfährt und dort alles über den Scanner erfasst wird. Abgeschlossen wird mit dem Bezahlvorgang, egal ob mit Bargeld oder bargeldlos.
Das Problem für einen Selbst ist – man steht (gefühlt) immer an der falschen Kasse. Entweder sind es die Personen, die langsam die Ware vorne auf das Band legen, oder die Person, die mit kleinen Münzen bezahlt und aus diesem Grund den Bezahlvorgang in die Länge zieht.

Veränderter Prozess

Der besagte Supermarkt hat den Prozess mit Hilfe neuer Systeme verändert. Vor Kopf des Kassensystems steht nun der Verkäufer. Man fährt den Einkaufswagen zu ihm und er packt für einen dann die Ware aus dem Einkaufswagen auf das Band, wobei es zeitgleich eingescannt wird. Am Ende des Bandes steht ein leerer Einkaufswagen, den der Kunde dann wieder befüllt. Ist der Vorgang abgeschlossen, dann bezahlt der Kunde autark die Waren an einem von zwei Terminals, die zu diesem Kassensystem gehören – egal ob mit Bargeld oder Karte.

Future Store | Peter Nowak
Foto von Peter Nowak

Die Vorteile dieser Änderung liegen auf der Hand, den damit werden zwei Flaschenhälse des Prozesses eliminiert: Die Blockade des Verkäufers durch den synchronen Bezahlvorgang, wie auch der Scanprozess, der während des Bezahlvorgangs durch den blockierten Verkäufer nicht fortgesetzt werden kann. Das Resultat ist, dass die Schlangen an der Kasse massiv minimiert wurden und der Bezahlvorgang somit schneller abläuft.

Erfolg auf ganzer Linie, oder?

Ich persönlich freute mich, dieses System zum ersten Mal zu testen. Die Neugier eine neue Erfahrung zu machen, dass ein alter Prozess geändert wird und zu sehen, wie dieser in der Realität funktioniert waren spannend. Ich finde bis heute die Änderung großartig.
Doch dieses Projekt ist eins, dass abgeschlossen ist. Ziel war es die Zeit des Bezahlvorgangs zu minimieren – und das wurde auch erreicht. Das neue Kassensystem hat sich bewährt – und auch der Hersteller ist zufrieden. Typisches Wasserfallmodell eben. 
Da ich hier wöchentlich einkaufen gehe, ist mir nach kurzer Zeit aufgefallen, dass diese Optimierung des Bezahlvorgangs nicht überall auf Gegenliebe stößt. Aber warum nicht? Häufig höre ich ein Gemecker von der Seite. Erst gestern wieder hörte ich einen Kunden sagen „Und das soll der Fortschritt sein?“. Was war passiert?

Fehlendes Changemanagement für die Kunden

Während der Anfangsphase das Personal noch üppig vorhanden war, um das neu ausgerollte System dem Kunden zu erklären, fehlt dies nach einem Jahr natürlich. Zwar sind die Verkäufer redlich bemüht es dennoch zu tun, aber nicht immer haben Sie die Möglichkeit dazu, denn der Kunde will ja fertig werden und sich nicht mit Veränderungen aufhalten. Was man hier vergessen hat ist, dass selbst heute neue Kunden in das Geschäft kommen, die das System einfach nicht kennen und mit einem Kulturschock konfrontiert sind.

Meistens sieht man dies Verhalten der Unzufriedenheit bei Personen ab 45 / 50 Jahren. Sie verstehen nicht, wieso man etwas, was man einmal gelernt hat, nun unbedingt verändert muss. Seit über 30 Jahren hat man seinen Wagen ans Band gefahren, entladen und hinten bezahlt. Und nun fehlt auf einmal am Bezahlterminal das eine Interaktion mit einem Menschen und man muss sich mit so einem Automaten abgeben. Da muss man erst einmal Suchen, wo das Geld hinein muss, oder wo ich die Karte reinschiebe. Und dann auch noch ein Touchscreen. Was soll der Quatsch? Der Kunde muss sich nun mit etwas Auseinandersetzen, was er über Jahre mittlerweile als banal empfunden hat. Er wird förmlich dazu gezwungen, was Unmut erzeugt.

Wie also besser machen?

Meistens hat man immer noch ein bis zwei Minuten, bis man zum Bezahlvorgang kommt. Ein einfacher, permanenter und gut lesbarer Aufsteller vor jeder Kasse wäre hier hilfreich. Einfache Piktogramme, wie man sie aus Anleitungen eines berühmten schwedischen Möbelhauses oder aus den Sicherheitsanweisungen aus dem Flugzeug kennt, wären kostengünstig herzustellen. Für Neukunden hätte es den Vorteil, dass sie sich bereits geistig auf eine aufkommende Veränderung einstellen könnten und der Stress, akut auf eine veränderte Situation reagieren zu müssen, wäre minimiert.

Fazit

Gerade in einer Zeit, in der alles schneller wird (ob nun positiv oder negativ gesehen), sind es genau solche Momente, wo man sich Zeit nehmen muss noch einmal das große Ganze zu betrachten und nochmal zu prüfen, ob man auch alles bedacht hat. Die zweite Variante wäre eine Kundenbefragung durchzuführen, oder sich als Mitarbeiter der Kassensysteme einfach mal Zeit nehmen und beobachten, wie sich das System entwickelt hat. Leider wird das wohl aber nie passieren, denn ich denke, dass das Projekt abgeschlossen ist.

Peter Nowak ist Buchautor und altbekanntes Communitymitglied im Microsoftumfeld. Als Entwickler gestartet, wofür er auch 10 Jahre jeweils mit dem Microsoft MVP Award ausgezeichnet wurde, entwickelte er sich zum IT Architekten weiter. Mittlerweile nutzt er jedoch seinen IT Background, um Kunden mit Kreativtechniken und Ideenworkshops zu unterstützen. Während er in der Vergangenheit jede Menge WIE-Fragen geklärt hat, unterstützt er nun Kunden bei der Klärung der WAS- und WOZU-Fragen in den Bereichen Innovation und Digitalisierung, wie auch dem Portfolioaufbau und -management.
Sie erreichen Peter via @PeNoWiMo oder über LinkedIn

Veröffentlicht von Norbert Eder

Ich bin ein leidenschaftlicher Softwareentwickler. Mein Wissen und meine Gedanken teile ich nicht nur hier im Blog, sondern auch in Fachartikeln und Büchern.

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